Mit einer Patientenverfügung lässt sich bis zum Schluss selbst bestimmen, wie man medizinisch behandelt werden möchte – auch wenn man seinen Willen nicht mehr selbst äußern kann. Vorausgesetzt, die Verfügung ist hinreichend konkret.

Eine damals 70-jährige Frau erlitt Ende 2011 einen Hirnschlag. Noch im Krankenhaus wurde ihr eine Magensonde gelegt, über die sie seitdem künstlich ernährt und mit Medikamenten versorgt wird. Im Januar 2012 wurde sie in ein Pflegeheim verlegt. Seit dem Frühjahr 2013 hat sie infolge epileptischer Anfälle keine Fähigkeit zur verbalen Kommunikation mehr. Die Patientin hatte 2003 und 2011 zwei wortlautidentische, mit „Patientenverfügung“ betitelte Schriftstücke unterschrieben. Darin heißt es unter anderem, dass sie dann, wenn aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleiben würde, „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollten. An diese Verfügung angehängt befand sich eine Vorsorgevollmacht. Damit hatte sie eine ihrer drei Töchter bevollmächtigt, in diesem Fall mit der behandelnden Ärztin „alle erforderlichen Entscheidungen abzusprechen, ihren Willen im Sinne dieser Patientenverfügung einzubringen und in ihrem Namen Einwendungen vorzutragen, die die Ärztin berücksichtigen“ solle.

Außerdem hatte die Patientin schon 2003 in einer notariellen Vollmacht dieser Tochter eine Generalvollmacht erteilt. Diese berechtigte zur Vertretung auch in Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung. Die Tochter durfte danach „in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, in eine Heilbehandlung oder in die Durchführung eines ärztlichen Eingriffs einwilligen, die Einwilligung hierzu verweigern oder zurücknehmen.“ Die Vollmacht enthielt unter anderem die Befugnis, über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen zu entscheiden. Diese Befugnis war mit dem Zusatz versehen, dass die Patientin im Falle einer zum Tode führenden Erkrankung keinen Wert auf solche Maßnahmen lege, wenn feststehen würde, dass eine Besserung des Zustands nicht erwartet werden könne.

Die so bevollmächtigte Tochter und die behandelnde Hausärztin sind sich darin einig, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung gegenwärtig nicht dem Willen der Betroffenen entspricht. Die beiden anderen Töchter der Patientin sind gegenteiliger Ansicht. Sie befürworten den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen und haben deshalb das Betreuungsgericht angerufen, einen Kontrollbetreuer zum Widerruf der Vollmachten zu bestellen. Die Sache ging bis zum Bundesgerichtshof (BGH).

Entscheidung des BGH

Ergebnis: Eine privat erteilte Vorsorgevollmacht muss deutlich beinhalten, dass die jeweilige Entscheidung mit einer Todesgefahr oder einem schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden verbunden sein kann. Das sahen die Karlsruher Richter hier nicht als gegeben an. Der Wortlaut enthält ihrer Ansicht nach lediglich die Ermächtigung zur Mitsprache in den in der Patientenverfügung genannten Fallgestaltungen, nicht aber zur Vorgehensweise.

Eine schriftliche Patientenverfügung entfaltet eine unmittelbare Bindungswirkung nur dann, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Patienten über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Allgemeine Anweisungen sind nicht ausreichend, wie etwa die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist. Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen andererseits nicht überspannt werden.

Konkretisierung ist erforderlich

Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Patient selbst umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Die Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, enthält allerdings allein keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung. Die erforderliche Konkretisierung kann aber durch die Aufzählung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen.

Danach kommen sowohl die beiden privatschriftlichen Patientenverfügungen als auch die in der notariellen Vollmacht enthaltenen Äußerungen in diesem Fall nicht als bindende, auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichtete Patientenverfügungen infrage. Sie beziehen sich nicht auf konkrete Behandlungsmaßnahmen, sondern beschränken sich ganz allgemein auf „lebensverlängernde Maßnahmen“. Die bevollmächtigte Tochter hat sich somit nicht, wie von den Schwestern behauptet, offenkundig über den Willen der Mutter hinwegsetzt. Darauf kommt es aber an, wenn ein Kontrollbetreuer eingesetzt werden soll.

Nichtsdestotrotz muss jetzt geprüft werden, ob frühere Willensäußerungen der Patientin vorliegen, die einen Abbruch der künstlichen Ernährung rechtfertigen. Die Sache wurde deshalb an die Vorinstanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

(BGH, Beschluss vom 6. Juli 2016 zu Az. XII ZB 61/16)